Geschichte


Die nördliche Nauener Vorstadt -
ein ruhiges, stadtnahes Wohngebiet zwischen Pfingstberg, Jungfernsee und Neuem Garten.

Plan der Residenzstadt Potsdam 1912 (Ausschnitt – Nauener Vorstadt)
1994 – nachdem der sowjetische Geheimdienst aus dem „Städtchen Nr. 7“ abgezogen war und die stählernen Tore, die das "Städtchen" bis dahin abgesperrt hatten, nach und nach geöffnet wurden, zeigte sich die nördliche Nauener Vorstadt in einem heruntergewirtschafteten Zustand: die Gebäude verwohnt, deren Installationen ruiniert, eingezogene Pappwände, in Bädern, Fluren und an Haussockeln grüne Ölfarbe und die Keller voller Müll. Anstelle der ehemaligen Garten- und Parkanlagen herrschte eine zaunlose Wildnis.

Das vom KGB als Sportanlage genutzte Mirbachwäldchen wurde von einer Straße  durchquert. Am östlichen Hang des Pfingstbergs waren mehrgeschossige Plattenbauten errichtet worden, während die Villa Quandt wegen Einsturzgefahr gesperrt war.

An der Kreuzung Große Weinmeisterstraße Ecke Glumestraße befand sich ein militärischer Appellplatz mit einer Mauer zur heutigen Evangelischen Schule hin. Auf der Mauer prangten die Ziffern 1941-1945; gegenüber - auf der Seite der Glumestraße - stand ein kleines Siegesmonument, von dem heute noch Reste vorhanden sind. Ein paar Schritte weiter lag hinter einer hohen Holzwand das KGB-Gefängnis versteckt.

Aber trotz Verfall und brachialer baulicher Hinzufügungen waren die Grundstruktur des Wohngebiets und die Grundsubstanz der historischen Gebäude so erhalten, dass - nach Abrissen von baulichen Fremdkörpern und mühevollen Instandsetzungen der Wohnhäuser und Villen - das Viertel heute wieder weitgehend den historischen Zustand zeigt.

Nach Rekonstruktion von Pomonatempel und Belvedere sowie Wiederherstellung des Pfingstbergparkes und des Mirbachwäldchens ist die idyllische Einbettung des Viertels zwischen Pfingstberg, Neuem Garten und Jungfernsee wieder erlebbar.

Die Bewohner des zu Beginn der 1870er Jahre entstandenen und kontinuierlich entwickelten Viertels waren bis nach dem Ersten Weltkrieg in großen Teilen kaisertreu und großbürgerlich. Neben einer Reihe von Mitgliedern der kaiserlichen Familie wohnten hier hofnahe Adlige; Großindustrielle und Bankiers besaßen am Jungfernsee ihre Sommerhäuser.

In der Bertinistraße bauten sich die Mendelssohns, Gutmanns, Hagens und Starks stattliche Villen auf weitläufigen Grundstücken zur Erholung vom hektischen Treiben in Berlin.Im Viertel gab es aber auch Bewohner, die sich gegen den Zeitgeist stellten - wie Moritz von Egidy, der wegen seiner radikal christlichen Haltung aus dem preußischen Militär ausgeschlossen wurde oder Johannes Lepsius, der sich im Ersten Weltkrieg für die durch die Türken verfolgten Armenier einsetzte.

Die Weimarer Zeit war durch ein Schwanken zwischen Preußennostalgie und Preußenkritik gekennzeichnet: einerseits die nostalgische Verehrung des Kronprinzen als einen Vertreter des abgedankten Kaiserhauses - der im Cecilienhof wohnte, andererseits eine kritische Sichtweise auf Preußen, die z. B. im Roman „Mädchen in Uniform“ zum Ausdruck kam - der im Augustastift an der Leistikowstraße spielt.

In der NS-Zeit gab es neben Hitlerverehrern, Opportunisten oder Duckmäusern eine Reihe aktiver Opponenten des Systems. Zu nennen sind hier Kurt von Plettenberg, Georg-Sigismund von Oppen, Ferdinand Freiherr von Lüninck und Albrecht Mertz von Quirnheim. Wenig bekannt ist auch, dass Claus Schenk Graf von Stauffenberg zeitweilig in der Höhenstraße wohnte.
Während ein Teil der Bewohner - insbesondere die "Neusiedler" in der von Estorffschen Siedlung- den Deutschen Christen zuneigten, behielten in der Pfingstgemeinde die Anhänger der Bekennenden Kirche die Oberhand.

Mitten im Viertel liegend stellt die Pfingstgemeinde, die auch während der DDR-Zeit ein ein aktives christliches Zentrum war, heute für viele Bewohner einen inhaltlichen und sozialen Mittelpunkt dar.

Nach der Vertreibung aller Einwohner durch Anordnung Stalins richtete 1945 der KGB im Viertel sein abgeschottetes Hauptquartier für Westeuropa ein. Damit versank das Viertel bis 1994 in nebelhaften Vermutungen der Potsdamer.

Heute - 18 Jahre nach dem verspäteten "Mauerfall" im Viertel - ist die nördliche Nauener Vorstadt eine Attraktion für Touristen und Potsdamer. Bemerkenswerte kulturelle Einrichtungen wie das Belvedere auf dem Pfingstberg, die Villa Quandt mit Fontanearchiv und Literaturbüro, die Gedenkstätte des KGB-Gefängnisses oder das Lepsiushaus bieten neben den umgebenden Schlössern Cecilienhof und Marmorpalais lohnende Ausflugsziele.




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